Porträt Mike

Porträtfoto Mike


Name: Mike
Alter: 23
Pronomen: er/ihm

Falls du Label für dich verwendest, welche sind das?

Mike

Natürlich „trans“, sonst weiß ich das gerade nicht.

Vor wie vielen Jahren war trans*/nicht-binär Sein zum ersten Mal für dich Thema?

Mike

Vor über 10 Jahren, genau kann ich das aber nicht benennen.

Erinnerst du dich an einen spezifischen Moment von innerem Coming Out, in dem du gemerkt hast, dass du vielleicht trans*/nicht-binär bist? Wie war das für dich?

Mike

Ich hab das schon sehr früh gemerkt, aber ich konnte das nie genau zuordnen. Aber ungefähr 2012 hat sich eine Person, deren Namen ich gerade nicht weiß, mit dem Thema beschäftigt und sich selbst geoutet. Die Person hat dazu ein Video gemacht und als ich das gesehen hab, war ich so „Okay wow! Das fühle ich!“ Und dann hat das natürlich danach seinen Weg gebraucht. Aber so mit 12 war mir das erste Mal wirklich bewusst, dass ich nicht einfach nur irgendwie komische Gedanken hab, sondern dass das vollkommen OK ist. Also, dass ich so bin und dass das OK ist.

Wie fühlt es sich für dich an, trans*/nicht-binär zu sein?

Mike

Es gibt da immer 2 Seiten. Einerseits bin super happy, einfach ich selbst sein zu dürfen. Es fühlt sich richtig an. Natürlich habe ich auch Phasen, wo es mir nicht besonders gut geht und dann denk ich mir so „ist das das Richtige? Bin ich wirklich so?“ aber das ist in Ordnung. Ich meine, wenn es diese Phasen nicht gäbe, wären wir keine Menschen. Kein Mensch ist perfekt und ich versuche einfach mit mir selber klarzukommen und auch in diesen Momenten weiß ich, ich kann so sein, wie ich bin und ich muss nicht ultra maskulin aussehen, um trotzdem männlich zu sein. Das ist vollkommen egal.

Wer oder was war für dich in deinem Selbstfindungsprozess wichtig oder unterstützend?

Mike

Viele queere Youtuber. Ich weiß grad seinen Namen leider nicht mehr, aber es gab einen, der hat sich, wie gesagt, 2012 das erste Mal für mich eröffnet, und das hat mir einfach geholfen, für mich selber die ersten Schritte zu erkennen. Und natürlich mein Freundeskreis und auch viele queere Menschen in Marburg, da komme ich her. Wir haben jetzt viel mehr queere Spaces, die mir auch jetzt weiterhelfen. Ich bin sehr, sehr dankbar dafür. Und auf jeden Fall auch dankbar für meine Freunde. Wir haben da jetzt das queere Zentrum, das Jugendhaus Kompass, das hat mittwochs ein queeres Café für Jugendliche – es wird immer bunter in Marburg!

Wie gehst du mit Transfeindlichkeit im Alltag um?

Mike

Zum Glück kann ich Transfeindlichkeit relativ weit aus dem Weg gehen, da ich ein eher introvertierter Mensch bin, aber ich habe es leider auch schon zu spüren bekommen. Ich versuche das meistens einfach zu ignorieren und weiter zu gehen Es ist trotzdem sehr verletzend und dadurch kommen auch immer wieder Unsicherheiten, ob ich wirklich so bin, wie ich bin. Dann denk ich mir so: „hey, ich mach meinen Weg und nur weil irgendwer meint, nicht mit mir klarzukommen, muss ich den Menschen nicht meine Aufmerksamkeit schenken.“

Gab es positive/negative Überraschungen, die du in Bezug auf dein trans*/nicht-binär Sein erlebt hast?

Mike

Ich habe auf jeden Fall sehr viel Offenheit von meinen Freunden erlebt und es haben sich sehr viele neue Spaces für mich eröffnet. Ich bin natürlich auch immer noch auf dem Weg, weitere Spaces für mich zu finden. Aber es war auf jeden Fall sehr schön, diese Unterstützung von meinen Freunden zu haben. Und auch jetzt lerne ich dadurch immer wieder neue tolle Menschen kennen. Da bin ich sehr froh drüber.

Gibt es andere trans*/nicht-binäre Personen, die dich in deinem Leben geprägt haben?

Mike

Vor kurzem habe ich tatsächlich drei Menschen kennengelernt, mit denen ich heute auch hier bin. Und ich finde es verdammt krass zu sehen, wie die einfach ihr Ding machen und sich von niemandem irgendwas sagen lassen. Ich bin ultra happy, die drei kennengelernt zu haben und freu mich einfach mit denen hier zu sein. Ich kann das nicht so ganz in Worte fassen, aber es ist für mich einfach was Besonderes, solche neuen Freunde gefunden zu haben.

Was ist eine deiner schönsten Erinnerungen mit anderen trans*/nicht-binären Personen?

Mike

2019 ungefähr haben wir im Kompass einmal einen Kleidertausch gemacht. Und da waren nicht viele Leute da, aber bei den Leuten, die da waren, hat man einfach gemerkt „hey, denen tut das gut“. Mir hat es auch irgendwie gut getan, die Leute so happy zu sehen. Solche Dinge sind für mich super. Auch jetzt gerade hier zu sein und so viele neue Gesichter und neue Leute kennenzulernen, ist echt ein schönes Erlebnis für mich.

Was bedeutet Community für dich? Welche Rolle hat Community bei deinen inneren oder äußeren Coming Outs gespielt?

Mike

Community ist zurzeit ja leider sehr schwierig, weil wir es als trans und nicht-binäre Community leider nicht immer so einfach haben. Aber zu wissen dass es auch in der Community einen guten Teil gibt und, dass es zwar immer schwarze Schafe gibt, aber wir so gut es geht zusammenhalten ist wichtig. Ich meine, dieses Event hier zeigt ja wieder, dass wir da sind.

Wir dürfen einfach nicht vergessen, wer als erstes auf der Christopher Street dastand und wer den ersten Stein geworfen hat. Das war eine Schwarze trans* Frau! Es gibt Leute, die das nicht vergessen und das immer wieder hochhalten. Es ist für mich einfach wichtig, dass Leute die Geschichte nicht vergessen, weil es ganz schnell wieder schief laufen kann. Wir sehen das leider gerade, was in Amerika passiert. Auch wenn in Deutschland nicht alles perfekt läuft, bin ich verdammt froh trotzdem hier zu sein und wenigstens meinen Weg zu gehen, weil es wird besser. Es gibt so viele Leute, die dafür kämpfen und es wird besser.

In welchen Communities fühlst du dich zuhause? Warum?

Mike

Natürlich in der trans* Community. Einfach weil ich da ich selbst sein kann und nicht darauf achten muss, ob etwas jetzt „zu queer“ ist. In den meisten cis-heteronormativen Communities muss ich mich so und so verhalten um nicht am Ende als Außenseiter dazustehen. Ich hab genug Erfahrung mit Mobbing und ich habe keine Lust darauf. In Bereichen, wo ich einfach ich sein kann, da fühle ich mich so wohl! Und da ist es dann scheißegal ob ich da jetzt Glitzer im Gesicht habe oder Vollbart trage oder sonst was, da bin ich einfach ich und jeder kann da so hinkommen, wie er ist. Das hilft mir einfach.
Wir haben in Marburg einen Verein, der ist zwar gerade noch im Aufbau, aber wird hoffentlich bald richtig losgehen und da fühle ich mich, auch wenn er noch nicht offiziell ist, gerade am Wohlsten. Queeres Marburg heißt das. Falls Leute, die in der Nähe von Marburg sind, das hier lesen – da sitzen im Vorstand nur queere Menschen!

Wenn du der trans* Community ein magisches Geschenk machen könntest, was wäre das?

Mike

Auf jeden Fall keine AfD mehr! Und, dass in der Community und außerhalb die Leute anfangen zu sehen, „Mensch ist Mensch, es ist egal welches Geschlecht. Mensch ist Mensch, und das wars!“

Was würdest du jungen Menschen, die sich mit dem eigenen trans*/nicht-binär Sein beschäftigen, gerne sagen?

Mike

Ja, es ist nicht immer ein leichter Weg, aber irgendwie kommt ihr da durch. Es ist nicht leicht, ich bin auch oft auf die Fresse gefallen (tut mir leid wenn ich das nicht so da sagen darf) aber jeder kleine Erfolg ist Gold wert! Irgendwelche Events, wo man Gleichgesinnte trifft, das stärkt ultra! Es gibt so viele gute Angebote, die solltet ihr auf jeden Fall nutzen. Und lasst euch von niemandem was einreden! Macht euren Weg! Am Ende geht es um euch und andere Menschen können euch scheißegal sein, weil ihr leidet am Ende doch darunter und das sollte nicht so sein. Macht einfach. Zieht euer Ding durch, egal wie der Weg aussehen wird.