Trans* – Ein Brief an dich selbst


Du hattest damals keine Ahnung. Keine Vorstellung davon, wer du bist, keine Zukunftsperspektive, nur das starke Gefühl: So wie es jetzt ist, geht es nicht weiter.

Du hast dir sehnlichst gewünscht, dass dir jemand sagt, wer du bist und was du zu tun hast. Du dachtest deine Therapeutin könnte dir diese Fragen beantworten. Du hast nach „Fakten“ gesucht, die dir sagen sollten, ob du trans* bist.

Inzwischen hast du gelernt, dass es beim Trans*-sein um dein Gefühl geht. Du musstest lernen, auf dein Gefühl zu hören, ihm zu vertrauen. Und hast letztlich verstanden: Gefühle sind nicht weniger valide als „Fakten“, nur weil sie nicht immer sichtbar sind.

Damals wolltest du dir auch ganz sicher sein, bevor du Veränderungen einleitest. Du hattest Angst Fehler zu machen und hast viel gegrübelt. Mit der Zeit hast du erfahren, dass man nicht wissen kann, was für einen richtig ist, ohne es Auszuprobieren.

Also hast du angefangen Veränderungen einzuleiten, dich auszuprobieren, bis sich etwas richtig anfühlte. Du musstest mutig sein, hast dich beispielsweise in der Schule mit einem neuen Namen vorgestellt, ohne die Gewissheit, es später nicht doch zu bereuen. Weil es sich in dem Moment richtig angefühlt hat. Heute weißt du, dass Ausprobieren und Fehler machen eine zentrale Rolle dabei spielen, sich selbst und seinen Weg zu finden.

Lange Zeit hast du dich nicht nur gefragt, ob du trans* bist, vielmehr hattest du riesige Angst davor, es zu akzeptieren. Der Begriff trans* war in deinem Kopf mit Scham hinterlegt, mit Abwertung, Zurückweisung, Schwäche. Du dachtest, du könntest dich einfach entscheiden, nicht trans* zu sein.

Du hattest verinnerlicht, was dein Umfeld dir zeigte. Du dachtest, wenn du deine Transidentität akzeptierst, verlierst du im Leben.

Was du damals nicht gemerkt hast, ist, wie du dich in dem Verleugnungsprozess selbst verloren hast. Dein Selbstbewusstsein ist verblasst und du hattest keine Freude mehr am Leben. So kam die Erkenntnis, dass du nicht lange eine Rolle spielen kannst, die du nicht bist. Der Einfluss von außen kann sehr stark sein, aber heute hast du gelernt, dass du diesem nicht ausgeliefert ist. Du hast Menschen gefunden, die dich wirklich sehen, unterstützen und lieben wie du bist.

Du hast auch gelernt, dass Selbstliebe niemals nur durch die Wertschätzung und Akzeptanz anderer entstehen kann, sondern nur dadurch, sich selbst treu zu sein und für sich einzustehen. Meine Transidentität ist nichts wogegen ich ankämpfen sollte, sondern ein Teil von mir, der mich zu einem Leben führt, das wirklich zu mir passt.

Danke, dass du damals den Mut hattest, ehrlich mit dir zu sein. Es hat sich gelohnt.

Von C