Porträt Marli

Porträtfoto Marli


Name: Marli
Alter: Anfang 20
Pronomen: keine Pronomen oder er

Falls du Label für dich verwendest, welche sind das?

Marli

Es wechselt immer mal, aber am meisten benutze ich trans / nicht-binär und trans maskulin. Abseits von trans Sein auch queer und pansexuell.

Vor wie vielen Jahren war trans*/nicht-binär Sein zum ersten Mal für dich Thema?

Marli

Finde ich schwer zu beantworten, weil ich das Gefühl hab, oft hat man schon ganz früh Momente, wo man mit Gender struggled, aber das noch nicht benennen kann. Ich glaube, zum ersten Mal benennen konnte ich das mit 15.

Erinnerst du dich an einen spezifischen Moment von innerem Coming Out, in dem du gemerkt hast, dass du vielleicht trans*/nicht-binär bist? Wie war das für dich?

Marli

Ich hatte damals einen guten Freund, der sich als trans geoutet hat, und ich habe viel Zeit mit ihm verbracht. Ich fand das immer richtig cool und irgendwann habe ich realisiert, dass das auch was mit mir zu tun hat. Ich kann mich noch erinnern, dass ich in meinem Zimmer war und gecheckt hab „OK, krass, das hat was mit meiner Lebensrealität zu tun!“. Es war irgendwie schön, das so zu entdecken und gleichzeitig auch super beängstigend. Ich habe es dann auch ganz lange erstmal niemandem erzählt. Also es war ein freudiger Moment und gleichzeitig auch sehr beängstigend.

Gibt es andere trans*/nicht-binäre Personen, die dich in deinem Leben geprägt haben?

Marli

[Mein Kumpel] war tatsächlich damals mein einziger Kontakt, von dem ich überhaupt etwas über das Thema erfahren habe. Aber danach gab es viele Social Media Personen, auf Instagram und so, die mich total geprägt haben. Später sind dann auch noch Musiker*innen dazu gekommen. Und dann habe ich irgendwann angefangen, immer mehr Leute kennenzulernen, die auch selber trans sind.

Ich war zu der Zeit in einer feministischen Gruppe, und da war ich noch nicht geoutet. Und dann hat sich irgendwann eine andere Person vor der ganzen Gruppe hingestellt und gesagt „hey, ich bin trans / nicht-binär, bitte benutzt diesen Namen für mich!“. Das hat mich total stark geprägt, weil ich eine Zeit lang das Gefühl hatte, dass in so feministischen Spaces größtenteils cis Frauen akzeptiert sind und, dass dort vor allem Maskulinität kritisiert und abgelehnt wird. Ich fand es richtig stark von der Person, sich da hinzustellen und sich so offen zu machen. Das hat mir dann ein paar Monate später die Kraft gegeben, selber zu sagen „hey, ich würde eigentlich lieber einen anderen Namen und andere Pronomen benutzen.“ Ich hatte dann das Gefühl, mich drauf verlassen zu können, dass es keine Ablehnung gibt. Das war auf jeden Fall eine sehr inspirierende Person für mich!

Also allgemein trans Personen, die schon einen Schritt weiter waren.

Marli

Ja, ich brauchte immer sehr viel Sicherheit, weil ich einfach Angst hatte, dass Menschen das kritisieren oder ablehnen. Da hat es mir sehr geholfen, Community zu spüren und zu merken „okay, ich bin nicht alleine.“.

Wenn du der trans* Community ein magisches Geschenk machen könntest, was wäre das?

Marli

Eigentlich wünsche ich mir vor allem, dass es allen gut geht, weil ich oft merke, dass viele irgendwie sehr struggeln. Und, dass es bei allem trans Joy, auf jeden Fall auch noch viel Diskriminierung gibt.

Ich wünsche der Community eigentlich vor allem eine andere Gesellschaft. Aber die gibt es ja gerade noch nicht. Deswegen wünsche ich mir einen Kampf, der kontinuierlich weitergeführt wird und dass sich Menschen gegenseitig tragen, sehen und anerkennen. Dass man die Hoffnung nicht verliert, dass es auch anders werden kann, obwohl die Realität gerade ja manchmal auch sehr bedrückend ist.

Wer oder was war für dich in deinem Selbstfindungsprozess wichtig oder unterstützend?

Marli

Die Frage hab ich ja zum Teil schon beantwortet. Freund*innen waren für mich ganz wichtige Personen, und generell die Community.

Was würdest du jungen Menschen, die sich mit dem eigenen trans*/nicht-binär Sein beschäftigen, gerne sagen?

Marli

Ich glaube vor allem, dass es okay ist, zu zweifeln und Zwischenräume zuzulassen. Ich hab ganz lange gedacht, ich muss mir 100% sicher sein. Und ich dachte, ich muss binär sein, ich muss ein trans Mann sein, um trans genug zu sein. Ich hab erst später zulassen können, dass ich auch feminine Seiten habe, auch wenn ich mich transmaskulin definiere. Und dass ich zum Beispiel auch mit Testo anfangen kann und währenddessen meine femininen Seiten trotzdem existieren dürfen.

Ja, und, dass es besser wird. Ich hatte so eine Phase, wo ich dachte: „Boah, es wird mir einfach für immer nicht gut damit gehen. Es wird für immer ein Struggle sein, ich werde niemals Sicherheit mit meinen gender-Themen finden.“ Und das klingt ein bisschen kitschig, aber ich hab schon das Gefühl, dass es irgendwann auch besser werden kann. Und dass man auch irgendwann alt genug ist, um sich zum Beispiel selber Zugänge zu schaffen. Ich hatte erst mit Anfang 20 Zugang zu Hormonen, aber hab dann trotzdem gemerkt „OK, ich kann das jetzt alleine machen. Ich bin jetzt volljährig und ich kann alleine zu Ärzt*innen gehen.“

Es ist so wichtig, nicht die Hoffnung zu verlieren. Und daran zu glauben, dass es irgendwie besser werden kann, auch wenn es manchmal so scheint, als ob es einen Stillstand gibt. Und sich an anderen Trans Menschen zu orientieren, dafür ist ja glaube ich diese Website auch gedacht, um Kraft aus anderen Geschichten zu ziehen und zu merken „okay, es gibt andere, denen es vielleicht ähnlich geht.“ Das hat mir immer geholfen und das würde ich anderen auch gerne ans Herz legen wollen.