Red/Green Flags Outing

(Achtung an alle Allys: so könnt ihr auf outings (nicht) reagieren)

CN: Im Folgenden werden beispielhaft Beispiele transfeindlicher Formulierungen oder Situationen aufgeführt

Kurzes Schweigen, abwarten. Mein Körper ist angespannt, ich durchforste meine Erinnerungen nach der Sicherheit, dass alles gut gehen wird. Es ist der kurze Moment, in dem ich mich vorstelle – mit Namen und Pronomen. Mir wird mal wieder klar, wie verletzlich ich mich mit diesem Satz mache, der selbstverständlich sein sollte, aber es nicht ist. Seit vier Jahren oute ich mich regelmäßig bei Menschen. Warum – und warum nicht? Im Folgenden werde ich meine Erfahrungen und Gedanken dazu teilen.

Achtung: Das Folgende bezieht sich primär auf nicht queere Räume – auch wenn in queeren Räumen Transfeindlichkeit leider vorkommen kann (vor Allem trans* Misogynie). In meiner Erfahrung ist nach Pronomen zu fragen und diese zu benutzen und kein Gender anzunehmen dort jedoch Alltag, beziehungsweise zumindest der Wunsch danach. Unabhängig davon gilt: Was sich für dich sicher und gut anfühlt, ist deine Entscheidung. Die Auflistung in Red and Green Flags, also was gute und schlechte Zeichen sind, sich zu outen, sollen viel mehr als Stütze oder Denkanstöße dienen.

Red Flags

Die Person hat andere trans*1 Menschen ungefragt geoutet und dies nicht reflektiert.

Befinde ich mich gerade in einer Abhängigkeit zu der Person (finanziell, mit Wohnraum, Einbindung in ein soziales Netz), kann ich den Raum gerade verlassen, sind Menschen dabei, denen ich vertraue oder die das Wort für mich ergreifen könnten? Spezifisch für Arbeitsplätze: Gibt es (transsensible) Strukturen, die mich schützen oder an die ich mich wenden kann (z.B. Gleichstellungsbeauftragte*r, Gewerkschaften, an der Uni Queerreferate oder der Asta)?

Ebenfalls sinnvoll zu beachten: Hat sich die Person schon mal zu queeren Themen geäußert, welche Meinungen vertritt die Person sonst, welche Beziehung habt ihr? Ich habe tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die mich schon länger kennen und von denen ich bereits queerfeindliche Aussagen gehört habe, auf mein Outing bei ihnen erst mal positiv reagierten oder mich positiv überrascht haben.

Yellow Flag – Tokenism – gut gemeint

Besondere Abwägung verdient hier Tokenism. Das bedeutet, dass Menschen, Arbeitsplätze oder Firmen sich als transsensibel darstellen, dies aber nur ausnutzen, um sich selbst gut zu präsentieren. Nicht, weil sie tatsächlich sicher für trans* Menschen sind. Vielleicht klappt es dort dann richtig zu gendern, aber bei tatsächlichen Veränderungen ist Schluss. Oder es wird von nun an ganz besonders betont, „wie toll es ist, ein trans* Person mit im Kollegium zu haben“. Sich hier zu outen kann erst Mal Vorteile haben, langfristig aber vielleicht auch anstrengend sein und mit weniger „offensichtlicher“ Diskriminierung einhergehen.

„Gut gemeinte“ Rückfragen aus „Neugierde“, Fragen nach deinem Körper, deinem Empfinden (ich finde das bei mir grenzüberschreitend) oder nach Dingen, die sich gut und einfach recherchieren lassen (meist als Aufklärungsarbeit bezeichnet). Der Umgang damit ist deine Entscheidung (von langen Gesprächen, bis zu „nein“ sagen und gehen), kann sehr anstrengend sein und ist sicher einen eigenen Blogpost wert.

Green Flags

Menschen fragen nach deinen Pronomen oder stellen sich direkt mit Pronomen vor.

Menschen misgendern andere trans* Personen nicht (sowohl wenn sie über sie, als auch wenn sie mit ihnen reden).

Gegenteil von red flags: d.h. sichere Räume, trans* Menschen werden mitgedacht (z.B. gendersensible Sprache), queersensible Strukturen (Fortbildungen, Ansprechpersonen, Infomaterial am Arbeitsplatz, etc.)

Menschen setzen sich auf politischer Ebene für queere Rechte ein (gehen z.B. auf Demos, leisten Aufklärungsarbeit – damit meine ich nicht 1x im Jahr beim CSD mitfeiern und wieder nach Hause gehen).

Du bist nicht die erste trans* Person. In dem Umfeld sind bereits andere trans* Menschen – du kannst mitbekommen wie mit ihnen umgegangen oder über sie gesprochen wird oder einfach fragen, wie es für sie ist – vielleicht wollen sie dich ja sogar unterstützen.

Zum Schluss hier noch ein paar kurze Erinnerungen: Was auch immer du tust, es ist deine Entscheidung. Ob, wie, wie oft, bei wem und in welchen Räumen du dich outest ist ganz allein dir überlassen. Keine Entscheidung macht deine Identität weniger valide. Du bist keinem Menschen ein Outing „schuldig“. Das Wichtigste ist, dass es dir möglichst gut mit der Situation geht und du dich sicher oder wohl fühlen kannst. Leider geht das nicht immer, das liegt an den Menschen und Systemen um dich herum, nicht an dir! Du darfst dir Pausen in für dich sicheren Räumen nehmen, diese suchen oder aufbauen. Ich wünsche dir möglichst positive Erfahrungen, unterstützende Menschen und viel Kraft.

Quinn Fuchs

1Im Folgenden wird das Wort trans* verwendet. Die beschriebenen Erfahrungen können generell auf TINAQ* (trans, inter, nicht-binär, agender, questioning, queer) Menschen zutreffen/für diese relevant sein. Oder auch für Menschen deren Geschlechtsausdruck nicht mit den Normvorstellungen der Gesellschaft von deren Geschlecht übereinstimmt. Ich möchte mit dem Wort also keinen Menschen ausschließen, aber habe mich gegen die Verwendung von TINAQ* entschieden, da ich keine Erfahrungen unsichtbar machen möchte.