Erfahrungsbericht „Trans und Lesbisch“

Wer bist du, was sind deine Pronomen?

Ion

Mein Name ist Ion. Ich bin 25 und verwende sie/ihr-Pronomen.

Egon

Ich bin Egon und verwende im Deutschen keine Pronomen, im Englischen they/them.

Welche Labels verwendest du aktuell?

Ion

Ich nutze vor allem die Labels queer, lesbisch und trans. Ich bin nicht-binär, bezeichne mich im Alltag aber meist einfach als weiblich.

Egon

Ich beschreibe mich gerne als nicht-binär, butch und lesbisch. Auch „queer“ und „Dyke“ fühlen sich gut an.

Seit wann verwendest du diese Labels für dich?

Egon

Dass Nicht-Binarität existiert, habe ich mit 15 Jahren im Internet, vor allem durch Tumblr gelernt. Es hat es sich gleich richtig angefühlt: Als Kind war meine Maskulinität ständig Thema gewesen; als Teenager kam Dysphorie dazu. Für eine Weile wollte ich mich exakt definieren und bin zwischen „genderfluid“ und „bigender“ hin und her gehüpft. Seitdem ich 17 Jahre alt bin, identifiziere ich mich einfach als nicht-binär, weil ich so meine Position im Geschlechtersystem am Besten beschreiben kann. Das trans-Label kam später zu mir: 2015 wurde nämlich in den online Spaces, in denen ich unterwegs war, noch zwischen nicht-binären und trans Identitäten unterschieden.

Als awkwarder Teenager habe ich meine Sexualität kaum ausgelebt, obwohl ich mich als „pansexuell“ identifizierte. Erst mit Anfang zwanzig hatte ich meine erste queere Beziehung. Plötzlich stand die Frage im Raum, ob mein Sexualitätslabel wirklich passte. Mit einem neuen Bezug zu Sex und Beziehungen konnte mir unmöglich eine solche Intimität mit einem Mann vorstellen. Ich habe dann realisiert: Die Männer, auf die ich „Crush“ gehabt hatte, waren entweder fiktionale Figuren oder Jungs in meiner Klasse gewesen, denen ich in Tagträumen eine andere Persönlichkeit andichtete. Nach einem intensiven Questioning- und Rechercheprozess habe ich mich schließlich als lesbisch gelabelt. Jetzt bin ich Mitte zwanzig und stolze nichtbinäre Lesbe!

Ion

„Mitte zwanzig und stolze nichtbinäre Lesbe“ – ja, das finde ich schön. Wenn ich mir mein Leben angucke, kann ich das so unterschreiben.

Der bewusste Prozess begann bei mir mit Sechzehn. Solange ich mich erinnern kann, habe ich es gehasst, als Junge bezeichnet und gesehen zu werden. Mit Geschlecht, Sexualität und Beziehungsdingen wollte ich einfach nichts zu tun haben. Zu der Zeit habe ich mich lose mit „androgyn“ assoziiert. Um den Begriff „trans“ habe ich lange Zeit einen Umweg gemacht. Ich hatte sehr viele Klischees verinnerlicht, und da hab ich mich einfach nicht gesehen. Als ich dann erstmal auf gute, authentische Repräsentation von trans Personen gestoßen bin, hat sich das geändert. (Es gab ein halbes Jahr emotionale Achterbahn und seitdem bezeichne ich mich als trans und nicht-binär.)

Fast forward 7 Jahre. Für Staat und Kapital zähle ich mittlerweile als Frau. Das ist nah genug an der Wahrheit dran, macht keine Dysphorie und spart mir viele Erklärungen.

Auf der ersten Nachkommastelle bin ich nichtbinär, meine Freund*innen wissen das.
Das Bedürfnis, sich exakt definieren zu wollen, hat bei mir in den letzten Jahren auch nachgelassen. Fast mein gesamtes Umfeld ist queer. Ich muss mich nicht mehr präzise verorten und abgrenzen, um überhaupt gesehen zu werden.

Achso, und ja, das Lesbisch. Das Lesbisch ist wichtig. Ich lebe seit nun fast vier Jahren in einer Beziehung und die ist lesbisch nach allen Regeln der Kunst. Früher hätte ich meine romantische Orientierung als „pan minus Männer“ beschrieben. Das klingt ein bisschen wie „Pizza Hawaii ohne Ananas“. Mittlerweile bin ich bei einer offenen Interpretation des Begriffs „lesbisch“ angekommen. Das fühlt sich für mich deutlich besser an.

Egon

„Pizza Hawaii ohne Ananas“ finde ich eine super Metapher! Ein paar von meinen Freund:innen identifizieren sich gerne als pansexuell, obwohl sie nur bestimmte Geschlechter mögen. Ähnlich wie du habe ich es auch eine Zeit lang mit so einem Verständnis für meine Sexualität versucht. Gut angefühlt hat es sich nie. Jetzt lebe ich viel lieber mit einem Lesbisch-Label, das ein bisschen atmet, als mit einem „pansexuell, aber nicht so richtig“-Label!

Lesbisch und trans sein: Geht denn das?

Ion

Politisch? Ja. Das sind zwei Eigenschaften, die erstmal nichts miteinander zu tun haben. Nur weil TERFs diskutieren, ob ich existieren darf, muss ich das nicht auch tun. Auf persönlicher Ebene kann das natürlich nochmal deutlich komplexer sein. Wie ging es dir damit?

Egon

Mich als lesbisch zu identifizieren hat ewig gedauert! Lesben waren kaum Teil meines Alltags, fast alle meine Freund:innen sind pan, bi oder queer. Ich hatte keine Ahnung von gleichzeitigem Nichtbinär- und Lesbischsein, kannte aber etliche Stereotype über transfeindliche Lesben. Lange hatte ich Angst, dass sich herausstellt, dass ich „nur“ eine maskuline cis Lesbe bin. (Wobei, psst, ganz wichtig – das eigene Geschlecht zu erforschen und herauszufinden, dass ein trans-Label doch nicht passt, ist nicht das Ende der Welt!) Den Unterschied hat für mich ein Blick in die Geschichte gemacht: Ritterinnen, Drag Kings, butch Lesben, trans Männer, maskuline Handwerkerinnen … überall fand ich Überschneidungen mit meiner Lebensrealität. Eine große, historische Gemeinschaft, in die ich keine Abtrennung schneiden will, sondern in der ich mich einfach zuhause fühlen möchte! Meine trans Friends hypen jetzt mein Lesbischsein als neue Facette von mir – und tatsächlich gibt es weniger TERFs in Lesben-Kreisen, als ich dachte.

Letztendlich denke ich aber, dass ich es in der lesbischen Community verhältnismäßig einfach habe. Ich erfahre keine Transmisogynie! Maximal werde ich misgendert und als butchige cis Frau eingeschätzt.

Hast du bestimmte Wünsche an lesbische Räume?​​​​​​​

Ion

Ich bin trans und asexuell, mein Verhältnis zu Körperlichkeit und Sexualität ist ein anderes, als das vieler cis Lesben. Ich wünsche mir mehr Sensibilität dafür, wie unterschiedlich lesbisches Erleben aussehen kann. Wenn Leute ihre Erfahrungen generalisieren, fühle ich mich schnell außen vor.

Aber das ist kein spezifisches Problem lesbischer Räume. Es hängt damit zusammen, wie wir als Gesellschaft und auch als Community romantische Orientierung denken.

Diese Normativität belastet mich tatsächlich deutlich mehr als irgendwelche TERFs. Die kann man rauswerfen oder einladen, je nachdem, was für einen Raum man haben möchte. Aber diese Normativität ist zermürbend, nervig und ich denk mir nur: Lasst mich doch mit euren Vulva-Stickern in Ruhe.

Was ist das Coolste daran, lesbisch und trans zu sein?

Egon

Es ist toll, meine Liebe zu meinem Gender *und* zu Frauen und Lesben endlich so richtig zu umarmen. Und: No one does it like trans lesbians!! Have you seen us!?

Ion

I have! Das Coolste daran für mich? Nun, es gibt ja diese klassische Frage, unter trans Frauen und bestimmt auch woanders: „Do I want to be with her or do I want to be her?“ Naja, warum nicht einfach beides?