Porträt Mel

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Name: Mel
Alter: 30
Pronomen: dey/denen

Falls du Label für dich verwendest, welche sind das?

Mel

trans/queer.

Vor wie vielen Jahren war trans*/nicht-binär Sein zum ersten Mal für dich Thema?

Mel

Ist schon eine Weile her, so vor 15 Jahren.

Wer oder was war für dich in deinem Selbstfindungsprozess wichtig oder unterstützend?

Mel

Ich würde sagen, mein Selbstfindungsprozess findet auch immer noch statt [lacht], oder findet immer wieder neu statt.
Für mich ist darin besonders der Austausch mit anderen trans und queeren, nicht-binären Personen und mit Freund*innen wichtig. Ich merke, dass es darin immer ganz viel mit mir macht, Prozesse von den anderen mitzukriegen. Zum Beispiel, wenn ich mitkriege, dass für ne andere Person gerade Pronomen voll das Thema sind. Dann fang ich auch wieder an, mich zu fragen: „Ah, wie geht es mir eigentlich gerade mit meinen Pronomen, wie fühle ich mich eigentlich damit?“ Ich find gerade in diesem gemeinsamen Austausch oder auch im Teilen von „Wie geht es uns mit uns selbst? Und wie fühlen wir uns gerade eigentlich mit uns selbst?“ gibt es schöne Momente. Ich finde es wichtig, diese Fragen immer wieder aufzumachen und mir zu erlauben, sie immer wieder neu zu stellen.

Ja, und was mir auch noch einfällt: Was auch unterstützend ist, ist auf jeden Fall Räume zu haben, in denen diese Fragen gestellt werden. Nicht nur so im persönlichen Zweierkontakt, sondern an Orten, wo es eine Selbstverständlichkeit dafür gibt. Zum Beispiel machen wir in meiner queeren Politgruppe, immer wieder Pronomenrunden und auch Namensrunden, auch wenn wir schon lange zusammenarbeiten. Ich finde es gut, gefragt zu werden, und mich quasi auch selber zu fragen, „was möchte ich?“ und das dann auch sagen zu können.

Hat sich geändert, was für deinen Selbstfindungsprozess wichtig ist und war?

Mel

Ja, es hat sich geändert und irgendwie auch nicht. Es hat sich vielleicht eher so verschoben. Ich glaub, mein Umgang damit hat sich geändert, weil mein Bezug zu mir selbst sich geändert hat. Heute fühle ich mich viel sicherer und stärker mit meinem trans Sein, als ich das vor 15 Jahren getan habe. Das verändert was daran, wie ich damit umgehe und was ich da von außen brauche.
Mein Umfeld hat sich auch geändert. Früher hatte ich viel weniger queere, trans und nicht-binäre Menschen in meinem Leben als heute und das macht einen großen Unterschied für mich, weil es andere Selbstverständlichkeiten gibt, andere Normalitäten. Und das, was sich früher viel mehr nach einer Hürde oder Anstrengung angefühlt hat, ist heute leichter geworden.

Was bedeutet Community für dich?

Mel

Community hat für mich viel mit einem Gefühl von Selbstverständlichkeiten zu tun. Also nicht, dass wir jetzt über nichts mehr reden, sondern eher „es ist okay so wie ich bin. Ich darf so hier sein und die anderen sind auch okay damit, wie sie hier sind.“
Und es gibt irgendeine Sprache. Es gibt die Möglichkeit, über Themen zu sprechen, über Erfahrungen zu sprechen. Und das bedeutet nicht, dass wir alle die gleichen Wörter benutzen, und auch nicht, dass wir die gleichen Erfahrungen teilen, aber dass es Ähnlichkeiten gibt oder ne Offenheit dafür im Verständnis füreinander.
Das ist mir daran total wichtig. Ich kann daraus viel Unterstützung ziehen, weil das auch mit einem Gefühl von Sicherheit verbunden ist. Dann kann ich zum Beispiel erzählen „heute hatte ich total das tolle Erlebnis bei einer gynäkologischen Untersuchung, weil die total selbstbestimmt für mich war und ich das Gefühl hatte, ich konnte da die Behandlung mit entscheiden und wurde ernst genommen.“ Und wenn ich das erzähle, wird verstanden, warum und es werden keine Fragen gestellt, die dann zum Beispiel ein Gefühl von Fremdbestimmung oder Diskriminierung hervorholen.

Wobei natürlich auch in Communities Diskriminierungen passiert. Ich finde es auch wichtig daran zu erinnern, dass Erfahrungen nicht nur in Bezug auf trans Sein stattfinden, sondern auch andere Erfahrungen und Positionierung in unserem Leben wichtig sind.

Für mich funktioniert dieser Community-Begriff gar nicht als eine Oberkategorie, sondern da geht es viel um Verbindungen und um „sich kennen“, also um persönliche emotionale Ebenen, die darin geteilt werden. Für mich braucht es darin noch mehr, um ein Vertrauen zu haben und sich zu kennen.

Welche Rolle hat Community bei deinen inneren oder äußeren Coming Outs gespielt?

Mel

Ich glaube, für mich sind Räume wichtig, um Sachen auszuprobieren. Zum Beispiel eine Queerparty, oder eine queere Sportgruppe, queere Politgruppe oder trans/queere Gruppen. Das ist gut, um Namen oder Pronomen auszuprobieren oder auch für Kleidung und um rauszufinden „wie wie fühle ich mich gerade wohl?“ und „wie will ich Geschlecht nach außen ausdrücken?“. Vielleicht will ich es heute auch anders als morgen oder in einer anderen Situation. Dafür können physische Orte total bereichernd sein.

Gerade auch in diesen ganzen Prozessen, in der Auseinandersetzung und Reflexion, ist dieser Austausch total wertvoll und auch einfach super inspirierend und anregend. Was ich an so Community-Zusammenhängen total schätze ist, mitzukriegen „wie machen eigentlich andere Personen das?“ und „was sind da für Themen?“ oder „was sind Umgangsstrategien, wie geht ihr mit einem belastenden Erlebnis um?“ Und auch von anderen zu lernen „hey, wir können das auch gemeinsam feiern, unser trans Sein, unser nicht-binär Sein und unser queer Sein.“ Das ist was, das wir miteinander und kollektiv teilen können, wir müssen es nicht alleine für uns verhandeln.

Was würdest du jungen Menschen, die sich mit dem eigenen trans*/nicht-binär Sein beschäftigen, gerne sagen?

Mel

Schaut, dass ihr Momente, Orte, Räume, Personen, Gegenstände, was auch immer findet, die euch stärken und ein Gefühl von Gemeinschaftlichkeit und Kollektivität herstellen können.

Themen um trans und nicht-binär Sein müssen nicht alleine ausgehandelt und verarbeitet werden. Manchmal kann es auch gut sein, Sachen alleine zu machen und für sich herauszufinden und sich darin alleine Raum zu nehmen, aber es darf auch geteilt werden. Und es kann total die stärkende Erfahrung sein, diese Momente miteinander zu teilen.

Was würdest du jungen Menschen, die sich mit dem eigenen trans*/nicht-binär Sein beschäftigen, gerne sagen?

Mel

Erst einmal, dass sie komplett okay sind, so wie sie sind. Dass Dinge, auch wenn sie sich verändern, immer noch okay sind und auch, dass Zweifel irgendwie dazugehören und da sein dürfen. Und, dass sie sich nicht sicher sein müssen und dass sie sich ausprobieren dürfen. Dass sie ihren Weg finden werden, auch, wenn es total schwierig ist und es sich manchmal so anfühlt, als würde es gar keinen Ausweg mehr geben und als sei das Leben nicht lebbar. In solchen Momenten einfach irgendwie durchzuhalten und weiter zu atmen, ist so wichtig. Und irgendwann findet man andere Menschen, die einem die Hand reichen und weiterhelfen können. Ich glaube ganz fest daran, dass alle irgendwie ihren Weg finden. Bei einigen ist der ein bisschen krummer als bei anderen, aber das ist okay.